Schmerz
Jeder von uns kennt Schmerzen. Man stößt sich das Schienbein an einer Kante, schneidet sich beim Gemüseschneiden oder verbrennt sich die Finger an einer Flamme – vieles kann Schmerzen verursachen. Wir sind es gewohnt, dass wir Schmerzen zeitweise ertragen müssen, und wenn wir erwarten, dass der Schmerz bald wieder vorbei sein wird, kommen wir auch ganz gut damit klar.
Wenn wir von ‚Schmerzen’ sprechen, dann denken wir meistens an große Verletzungen bei Unfällen oder Operationen oder Krebsbehandlungen oder allenfalls noch Geburten.
Dabei erleben wir täglich eine ganze Reihe kleinerer Schmerzen. Ihre Wichtigkeit wird deutlich, wenn man sich einmal Menschen mit angeborener Schmerzunempfindlichkeit anschaut. Für Sie, der Sie vielleicht seit Jahren unter Schmerzen leiden, klingt dies zwar zunächst wie die Erfüllung eines Traumes, wenn man sich aber die Folgen von totaler Schmerzlosigkeit anschaut, dann sieht die Sache schon anders aus: Es kann zu schlimmen Verletzungen und sogar zum Tod führen, wenn z.B. eine akute Blinddarmentzündung unbemerkt bleibt, weil der Betroffene keine Leibschmerzen hatte, die ihn oder sie veranlasst hätten, rechtzeitig Hilfe zu holen.
Schmerz erfüllt also offensichtlich eine lebenswichtige Schutzfunktion. Der Schmerz signalisiert dem Menschen „Vorsicht! Hier passiert gerade etwas Negatives in deinem Körper!“.
Leider funktioniert Schmerz nicht immer und nicht immer korrekt. Viele schlimme Krankheiten bleiben lange Zeit unbemerkt, weil der Mensch keine Schmerzen verspürt. Der Mensch spürt dann den Schmerz erst, wenn die Krankheit schon sehr weit (manchmal zu weit) fortgeschritten ist und in einigen Fällen keine Heilung mehr möglich ist. Solche tragischen Entwicklungen kommen bei Krebs vor, aber auch bei Multipler Sklerose oder Herzinfarkt.
Das wohl erstaunlichste Phänomen beim Schmerz ist seine Fähigkeit, sich zu verselbständigen und chronisch zu werden. In jedem dritten Haushalt in Europa lebt ein Mensch, der unter Schmerzen leidet. Etwa 17% aller Deutschen sind von lang anhaltenden, chronischen Schmerzen betroffen – also mehr als 12 Millionen Menschen.
Dabei ist es nicht wichtig, ob der ursprüngliche Auslöser eine körperliche Verletzung oder ein psychischer Konflikt war: auf jeden Fall ist der (akute) Auslöser eigentlich überwunden, aber der Schmerz – bleibt. Es ist eine Schmerzstörung entstanden, die mit dem Verstand nicht mehr gut zu fassen ist. Zu den typischen chronischen Schmerzzuständen gehören u.a. Spannungskopfschmerzen, Migräne, Kreuzschmerzen, Bandscheibenvorfall, HWS-Syndrom, Rheumaschmerzen und Fibromyalgie.
Chronische Schmerzen haben aber auch oft psychische Ursachen; seelische Verletzungen aller Art oder vor allem auch Stress spiegeln sich oft in körperlichen Schmerzen wider. Es ist leicht ersichtlich, dass es schwierig ist, diese Schmerzen medizinisch zu behandeln, wenn sich dahinter seelische Probleme oder Belastungen verbergen. Aber auch der chronische Schmerz, der aus einem akuten Schmerz hervorgegangen ist und sehr wohl eine somatische Komponente hat, führt nicht nur zum Leiden aufgrund des Schmerzes an sich, sondern auch zu zunehmenden Einschränkungen im Alltag. Dies geht dann häufig mit Depressionen, Ängsten und weiteren somatoformen Beschwerden einher.
Insgesamt kann eine Behandlung also nur dann erfolgreich sein, wenn sie ganzheitlich ist, sowohl die somatischen als auch die psychischen Komponenten berücksichtigt. Schmerzmedikamente alleine können oftmals sogar kontraproduktiv sein und viele Operationen stellen sich im Nachhinein als überflüssig heraus – und lösen oftmals nicht mal das Problem, denn der Schmerz bleibt oder kommt nach kurzer Zeit wieder.
Eventuell ist Ihnen unwohl bei dem Gedanken, dass man Ihre Schmerzen nicht einfach ‚wegmachen’ kann, sondern dass Sie stattdessen nun in Ihrer Psyche ‚rumwühlen’ sollen, um der Ursache Ihres Schmerzsyndroms auf die Schliche zu kommen. Daran kann ich momentan leider nichts ändern. Ich kann Ihnen aber versprechen, dass die Auseinandersetzung mit seelischen Bedürfnissen und eventuell auch Verletzungen langfristig weniger weh tut als der körperliche Schmerz, den Sie schon so lange erleiden müssen!