Angst
In vielen Situationen ist es ganz normal und sinnvoll, Angst zu haben. So ist es z.B. gut, dass wir bei einem plötzlichen Geräusch (Autohupen, Sirene, Knall) erschrecken, denn die Angst warnt uns vor einer realen Gefahr (ein herannahendes Auto, ein Feuer, eine Explosion) – und sie führt dazu, dass man besonders aufmerksam und reaktionsbereit ist.
Physiologisch gesehen führt Angst zu einer Aktivierung verschiedener Körperfunktionen: Die Herzfrequenz erhöht sich und der Atem geht schneller, die Muskeln spannen sich an und die Sinnesorgane reagieren mit erhöhter Aufmerksamkeit. Der Körper schaltet in den ‚Alarm-Modus’. Diese ‚Alarmreaktion’ des Körpers macht es möglich, schnell und effizient auf eine Gefahr zu reagieren.
Diese ‚Fähigkeit’ ist uralt: Evolutionsgeschichtlich hat die Angst eine wichtige Funktion als ein die Sinne schärfender und Körperkraft aktivierender Schutz- und Überlebensmechanismus, der in tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Gefahrensituationen ein angemessenes Verhalten (Fight-or-Flight) einleitet. So war es für Menschen in der Steinzeit überlebenswichtig, eine Gefahr (z.B. ein sich nähernder Säbelzahntiger) frühzeitig wahrzunehmen und darauf zu reagieren – sonst wurden sie gefressen.
Da der Energieaufwand für eine Flucht gering ist (wenige hundert Kilokalorien), übersehene Bedrohungen aber folgenschwere Auswirkungen nach sich ziehen können, ist die ‚Alarmanlage’ Angst von der Natur sehr empfindlich eingestellt, was bisweilen in Fehlalarmen resultiert.
Heute müssen wir uns kaum mehr vor realen Gefahren fürchten bzw. davor schützen. Dennoch treten Ängste bei vielen Menschen auf: vor Tieren, vor U-Bahnen, Tunneln, Flugzeugen, vor sozialen Situationen wie Konflikten am Arbeitsplatz oder mit dem Partner, vor Krankheiten oder Katastrophen, vor Verlust von geliebten Menschen, vor der Zukunft allgemein usw. – die Liste ist unendlich lang.
Diese Ängste sind irrational oder übertrieben, d.h. sie treten auf, obwohl keine reale Gefahr besteht oder die Bedrohung zumindest nicht lebensgefährlich ist. Wir reagieren aber, als wären wir in Lebensgefahr. Um dieses, extrem unangenehme Gefühl von ‚Todesangst’ nicht immer wieder erleben zu müssen, fangen viele Menschen an, die angstauslösenden Situationen zu vermeiden (wenn möglich), was aber langfristig dazu führt, dass die Betroffenen immer mehr in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind.
Und wenn jemand sich ständig Sorgen macht, dass ihm selbst oder seinen Angehörigen etwas zustoßen könnte, bleibt ihm für andere Dinge kaum noch Zeit. Dazu kommt, dass Angst häufig mit körperlichen Beschwerden wie Herzrasen, Schwindelgefühlen, Übelkeit oder Atemnot verbunden ist, die sehr belastend sein können.
Jemand, der von solchen ausgeprägten Ängsten betroffen ist, erkennt zwar meist selbst, dass die Angst unbegründet oder übertrieben ist – er kann sich jedoch nicht selbst daraus befreien.
Etwa 5 – 15 % der Menschen leiden mindestens einmal im Leben an einer Angststörung. Dabei sind Frauen von den meisten Angsterkrankungen doppelt so häufig betroffen wie Männer – es gibt aber auch Ängste, die bei Männern und Frauen gleich häufig auftreten.
Wenn jemand erst einmal ausgeprägte Ängste entwickelt hat, verschwinden diese meist nicht einfach wieder von alleine. Das bedeutet, dass die meisten Angsterkrankungen ohne Behandlung chronisch verlaufen und oft über Jahre oder Jahrzehnte bestehen bleiben. Ängste und Angststörungen lassen sich umso besser behandeln, je kürzer die Angst vorhanden ist. Deshalb ist es sinnvoll, frühzeitig eine Therapie aufzusuchen, wenn man die Angst nicht alleine in den Griff bekommt.
Die Erfolgsaussichten einer Behandlung sind auch bei länger bestehenden Ängsten relativ gut. In vielen Fällen ist dabei eine alleinige Psychotherapie ausreichend.